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Handgepflückt – Es ist Erntezeit in der Champagne

Es ist September – Erntezeit in der Champagne. Ich begleite Daniel Etienne bei der Ernte in Cumières, einem kleinen Ort im Herzen der Champagne. Daniel Etienne ist einer der 500 Winzer, die ihre Trauben nicht an die großen Champagnerhäuser verkaufen, sondern ihre eigenen Champagner traditionsgerecht herstellen.
In Cumières besteht der Unterboden aus Kreide, dieser speichert Feuchtigkeit und leitet überschüssiges Wasser nach unten ab – das macht die Finesse des Champagners der Gegend aus. Direkt am Fluss Marne gelegen, sorgt der morgendliche Nebel für eine ganz besondere Frische der Trauben, die den unverwechselbaren Charakter der Cuvées von Daniel Etienne ausmachen.

Weinberge Fluss Marne
Die Reben sind 12 Jahre alt, die Rebsorte ist Chardonnay.

In der Champagne dürfen die Trauben ausschließlich von Hand gelesen werden, dies ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Viele großen Champagnerhäuser engagieren Zeitarbeitsfirmen, um das Personal für die arbeitsreichen Wochen zu finden. Nicht so bei den kleinen Traditionsbetrieben – jeder Erntehelfer wird vom Winzer selbst ausgewählt, viele sind schon seit Jahren dabei. „Jeder kann sich als Erntehelfer bewerben “, erklärt mir Daniel, der bereits im Juni seine Mitarbeiter rekrutiert. Dieses Jahr besteht sein Team aus 26 Personen,  die während der ca. 10 Tage dauernden Vendanges täglich von Hand sorgsam jede Traube betrachten und nur die besten auswählen – frei nach dem Motto « … die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen ».

Chardonnay Champagner Ernte
Einer der Vorteile der Traubenlese von Hand ist, gegebenenfalls kranke oder befallene Trauben gleich am Weinberg auszusortieren (alle anderen Vorteile können Sie hier nachlesen). Bei Daniel Etienne und den meisten kleinen Winzern erhalten die Erntehelfer einen Stundenlohn und werden nicht – wie bei manchen großen Champagnerhäusern der Fall – pro Kilo Lesegut bezahlt. „Die Qualität unseres Champagners wird so gewährleistet“, erklärt der Winzer. Zudem können böse Überraschungen vermieden werden – es kursieren in der Champagne schließlich Gerüchte von Erntekörben, in denen Steine unter den Trauben gefunden wurden…

Cumières zählt jedes Jahr zu den ersten Dörfern,  die mit der Ernte beginnen. Dies liegt an der Lage direkt am Fluss, sowie an der Sonneneinstrahlung. „Wichtig bei der Herstellung eines einzigartigen Champagners ist es, den perfekten Moment zum Erntebeginn abzupassen“, erklärt mir Daniel. Dazu probiert er seine Trauben täglich, bis er vom idealen Gleichgewicht zwischen Zucker und Säure überzeugt ist. Erst dann können die Vendanges beginnen. Winzer Daniel Etienne wählt jede Traube fein säuberlich aus, um die Qualität seiner Champagner zu garantieren.

Winzer Daniel Etienne

Die Traubenlese ist für viele mehr als nur ein Nebenjob. Schüler, Studenten, Arbeitssuchende, Angestellte, Manager – viele nehmen sich extra Urlaub, um Teil dieses Erlebnisses zu werden. „Auf dem Weinberg sind wir alle gleich – egal der Herkunft und des Berufs“, erklärt mir Eric, Beamter, der dieses Jahr zum ersten Mal dabei ist. „Man arbeitet hart, aber man lacht, man singt, man verbringt Zeit gemeinsam draußen, es gibt ein großartiges Abendessen – man lebt wie eine Familie.“, so Loic, der seit 5 Jahren einen Teil seines Jahresurlaubes auf diese zwei Wochen legt. Manche kommen von noch weiter her: Jakob ist extra aus Dänemark angereist. Er besitzt eine Weinbar in Kopenhagen: „Nachdem ich bereits über 600 verschiedene Champagner verkostet habe, wollte ich selbst einmal Teil der Herstellung werden. Man lernt wahnsinnig viel wenn man live vor Ort dabei sein kann.“

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Erntehelfer Lola, Bruno, Jakob und Céline (von oben nach unten & links nach rechts) Bruno ist seit seinem 14. Geburtstag jedes Jahr dabei! „1976 haben wir nur 500 Francs verdient, was für einen Schüler damals viel war – heute komme ich vorallem für den Spass. Ich nehme mir extra Urlaub, um dabei zu sein”.

Das Winzerpaar Etienne legt auf die familiäre Atmosphäre besonderen Wert. Die meisten Erntehelfer werden während der acht Tage im eigenen Haus untergebracht, denn morgens um 7h30 geht es bereits los. Frühstück, Mittagessen, Gouter (Nachmittagssnack), Abendessen – Brigitte Etienne kocht während der Ernte für durchschnittlich 30 Personen. „Das gehört einfach dazu, viele Erntehelfer kommen wieder, da sie unser Essen so gerne mögen“, erklärt mir Brigitte.
Winzer Daniel Etienne
Am Ende des Tages erläutert Daniel Etienne, dass er natürlich glücklich ist, wenn der Stress der Erntezeit vorbei ist, jedoch ist das Ende auch immer mit einer gewissen Melancholie verbunden – alles erscheint auf einmal so leer. Die Erntehelfer freuen sich besonders auf den letzten Abend der Lese, der traditionsgemäß „le cochelet“ genannt wird, da man früher zur Feier der Ernte ein Schwein gebraten hat. An diesem besonderen Abend darf nur teilnehmen, wer mindestens einen Tag in den Weinbergen geholfen hat. Die Weinernte wird mit einem großen Essen und natürlich literweise Champagner gefeiert. Eine Tradition im Hause Etienne ist es außerdem die Flaschen zu diesem Anlass mit einem Schwert („sabrer le champagne“) zu köpfen – A votre santé !

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