Eigentlich dachten wir ja, dass der älteste bekannte Rosé-Champagner aus dem Hause Veuve Cliquot stammt und im Jahre 1775 seinen ersten zahlenden Abnehmer fand. Dokumente aus dem Jahr 1764 allerdings beurkunden wohloffensichtlich, dass auch bei Ruinart bereits im 18. Jahrhundert Rosé-Champagner hergestellt und verkauft wurden.
Das 1729 gegründete Champagnerhaus war das erste, welches ausschließlich Champagner verkaufte, bzw. « vin à bulles » (Wein mit Bläschen), wie man Champagner damals nannte. Die Historikerin Isabelle Pierre analysiert schon seit langem die Archive der Häuser Krug, Ruinart und Veuve Cliquot (alle drei der LVMH-Gruppe angehörend). Sie weist auf Elemente aus der damaligen Buchhaltung hin, die im Jahre 1764 einen Korb von 120 Flaschen aufführen, in dem auch 60 Flaschen Oeil de Perdrix aufgelistet waren. Der Ausdruck Oeil de Perdrix bezeichnet in der Champagne und auch allgemein in Frankreich Rosé-Champagner.
Die damaligen Oeil de Perdrix-Flaschen wiesen sicherlich die gleiche Rosé- oder Lachsrosé-Farbe auf, wie die heutigen Rosé-Champagner. Allerdings ist davon auszugehen, dass sie ganz und gar nicht den gleichen Geschmack hatten. Ruinarts Kellermeister Frédéric Panaîtois erklärt: « Ich nehme an, dass die damaligen Champagner einen recht anderen Geschmack hatten als dies heute der Fall ist. Damals wurden nicht nur andere Rebsorten zur Champagnerherstellung verwendet, auch die Ausbau- und Kellermethoden waren im 18. Jahrhundert recht unterschiedlich und viel weniger ausgereift als heute. » Die heutigen Champagner bestehen aus den drei Rebsorten Chardonnay, Pinot Meunier und Pinot Noir, wohingegen im 18. Jahrhundert die Traubensorten vielfältiger waren: zu den traditionellen Pinot Meunier und Pinot Noir kamen ebenfalls der Froimanteau, der Petit Melier und andere Traubensorten, die wir heutzutage gar nicht mehr kennen. Die Chardonnay-Traube wurde damals noch gar nicht in der Champagne angebaut.
Experten gehen weiterhin davon aus, dass Rosé-Champagner der damaligen Zeit durch Mazeration hergestellt wurden, d.h. die Trauben lagen so lange auf der Maische, bis genügend Farbpigmente aus der Traubenhaut in den Traubensaft übergegangen waren. Ob dies beabsichtigt war oder auch eher zufällig geschah, weiß man nicht.
Mit ziemlicher Sicherheit wissen wir allerdings, dass die Veuve Cliquot die Erfinderin des Rosés per Assemblage war, d.h. der Mischung aus einem Großteil weißem Grundwein und der Zugabe von rotem Wein.